WELTGo!
Journalismus neu erleben und produktiver werden
Ihr Assistent Journalismus neu erleben und produktiver werden
WELTGO! ENTDECKEN
  1. Home
  2. Wirtschaft
  3. Studie: Europas wahrer Graben liegt zwischen den Generationen

Wirtschaft Soziale Verwerfungen

In Europa tut sich ein Graben auf – zwischen Jung und Alt

Korrespondent Europäische Wirtschaft
Quelle: Infografik Die Welt
Reicher Norden, armer Süden: Das war die Formel, die bislang den Kontinent teilte. Jetzt droht Europa ein neuer Graben: zwischen Jung und Alt. Und das gilt nicht nur für die Krisenstaaten.

Trotz der wirtschaftlichen Erholung in der Euro-Zone reißt die soziale Kluft auf dem europäischen Kontinent weiter auf. Die Entwicklung der vergangenen Jahre ist bedrohlich, denn die Grenzen verlaufen nicht mehr nur zwischen dem wohlhabenden Norden und dem krisengeschüttelten Süden des Kontinents. Zunehmend zieht sich auch ein tiefer Graben zwischen Jung und Alt. Davor warnt die Bertelsmann-Stiftung, die in einer groß angelegten Untersuchung jährlich ermittelt, wie sich die soziale Gerechtigkeit in den Ländern der Europäischen Union entwickelt.

Kinder und Jugendliche seien die großen Verlierer der Wirtschaftskrise, warnen die Verfasser der Studie. Kinder wüchsen zunehmend in Armut auf und Jugendliche ohne Bildung, heißt es in der Studie. Besonders erschreckend sei, dass diese Entwicklung nicht nur in den Krisenländern an der Peripherie der Euro-Zone zu beobachten sei, sondern auch in vielen weiteren Ländern.

In den Ländern der Europäischen Union sind demnach rund 26 Millionen Kinder und Jugendliche von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht. Das sind mehr als ein Viertel aller unter 18-Jährigen und damit ein ganz erheblicher Anteil dieser Altersgruppe.

Besonders in den Krisenländern nimmt die Armut unter jungen Menschen dramatisch zu: Seit 2007, dem Jahr vor der Eskalation der Finanzkrise, sei die Zahl der von Armut und Ausgrenzung bedrohten Kinder und Jugendlichen um 1,2 Millionen auf 7,6 Millionen gestiegen.

Die Statistiker verwenden den Begriff „armutsgefährdet“, um auch in der Statistik klarzumachen, dass Armut unter Umständen ein vorübergehender Zustand sein kann, beispielsweise bei Studenten. Zudem sind in der Regel viele von der Statistik erfassten Personen nicht arm, sondern nur nah an der Armut. Sie leben in Haushalten mit weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens. Diese Definition ist in der EU üblich. Entscheidend ist der Betrag, der dem Haushalt tatsächlich zur Verfügung steht. Die Studie erfasst zudem auch junge Europäer, die unter schweren materiellen Entbehrungen leiden oder in quasi-erwerbslosen Haushalten aufwachsen.

Auch Deutschland betroffen

Weitere 5,4 Millionen junge Erwachsene leben in einer prekären Lebenssituation, weil sie weder Arbeit haben noch in Ausbildung sind. Besonders dramatisch ist die Entwicklung erneut in den südeuropäischen Ländern: In Spanien kletterte der Anteil der 20- bis 24-Jährigen, die weder in Beschäftigung noch in Ausbildung sind, seit 2007 von 16,6 auf 24,8 Prozent, in Italien sogar von 21,6 auf 32 Prozent.

Junge Griechen demonstrieren Mitte Oktober in Athen gegen Austeritätspolitik
Junge Griechen demonstrieren Mitte Oktober in Athen gegen Austeritätspolitik
Quelle: AP

Diese Entwicklung führt zu einem zunehmenden Wohlstandsgraben zwischen Jung und Alt, weil die Renten und Pensionen von den wirtschaftlichen Turbulenzen nicht in dem gleichen Maße betroffen waren wie die Einkommen der Jungen. Während im EU-Schnitt 27,9 Prozent der Kinder von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht sind, ist der entsprechende Anteil in der Bevölkerungsgruppe ab 65 Jahren sogar von 24,4 auf 17,8 Prozent gesunken.

Der europäische Trend einer wachsenden Kluft zwischen Jung und Alt sei in Deutschland allerdings weniger ausgeprägt als in vielen anderen EU-Staaten, schreiben die Autoren. Doch auch hierzulande klaffe ein Graben zwischen den Generationen: Während fünf Prozent der unter 18-Jährigen mit schweren materiellen Entbehrungen leben müssten, seien es unter Senioren, die älter als 65 Jahre sind, nur 3,2 Prozent.

Verantwortlich dafür seien die Rentenreformen, die die Bewertung verschlechtert hätten, schreiben die Autoren. Negativ schlage außerdem zu Buche, dass hierzulande die soziale Herkunft immer noch überdurchschnittlich stark über den Bildungserfolg entscheide.

Insgesamt landet Deutschland bei dem Vergleich aber auf einem guten siebten Rang. Besonders die gute Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt hierzulande ist für dieses relativ gute Abschneiden verantwortlich. Deutschland hat mit 73,8 Prozent inzwischen die zweithöchste Beschäftigungsquote in der EU und liegt nur noch hinter Schweden. Zugleich ist die Jugendarbeitslosigkeit mit 7,7 Prozent die geringste in der ganzen Union.

Mehr aus dem Web
Neues aus der Redaktion
Auch interessant
Mehr zum Thema